Lehrkräfte sind auch Eltern

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Letzte Woche war es hier wieder soweit: Erst war Kind 1 krank, dann Kind 2, dann ich, dann mein Mann.

Kindkrank-Tage sind der Endgegner erwerbsarbeitender Eltern. Denn wenn ein Kind wirklich hoch fiebert oder einen Magen-Darm-Infekt hat, betreuen die Eltern das Kind. Als ob dann die Großeltern oder der Babysitter eingespannt werden, die es dann selbst bekommen…

Für die Schule heißt das: Lehrkräfte mit Kindern leben mit einem inneren Zwiespalt. Sie wollen verlässlich sein. Einerseits sollen sich die Schüler:innen und das Kollegium auf sie verlassen können, andererseits natürlich auch die eigene Familie.

Und so läuft oft ein schlechtes Gewissen mit ihnen herum.

Das wurde mir in einer Situation bewusst, in der eine Schülerin mich fragte: „Kommen Sie denn morgen? Manchmal sagen sie wir machen das und dann kommen Sie an dem Tag nicht.“

Der Satz saß. Ja, seitdem ich Kinder habe, fehle ich in der Schule häufiger. Nicht nur kindkrank-Tage sind für viele eine Herausforderung, sondern auch Schließzeiten der Betreuung, Personalmangel in den Kitas oder der OGS und Streiktage.

Diskussion um Lehrermangel vergisst Eltern

Kindkrank-Tage sind die fiese Spitze des Eisbergs.

In der Diskussion um Lehrkräftemangel hieß es seitens der SWK, dass Teilzeit erschwert werden solle. Zwar wird das in der Empfehlung für Lehrkräfte mit Familienverantwortung relativiert, suggeriert aber trotzdem, dass ein großer Teil der Kolleg:innen in Teilzeit aus keinem „wichtigen“ Grund reduzieren und problemlos aufstocken könnte.

Dabei sieht das doch ganz anders aus!

Welche Gründe gibt es für Teilzeit in der Schule?

  • Betreuung kleiner Kinder oder Pflege Angehöriger (familienpolitische TZ)
  • Korrekturmassen reduzieren (offiziell voraussetzungslose TZ)
  • Unterrichtsqualität gewährleisten (offiziell voraussetzungslose TZ)
  • Altersteilzeit

40% der Lehrkräfte arbeiten in Teilzeit. Na, dann beschränken wir einfach die Teilzeit und es findet mehr Unterricht statt!

Äh…nein.

Eigene Visualisierung der Zahlen vom Statistischen Bundesamt im SJ 21/22

73% der Lehrkräfte sind Frauen. Im Schuljahr 2021/22 lag die Teilzeitquote bei ihnen bei 48.2 %, mehr als doppelt so hoch wie bei Lehrern (20,1%). Bei den Teilzeitkräften stellen sie also den Löwenanteil mit 87%.

Warum ist das wohl so? Weil sie (immer noch) vorrangig für die Betreuung und Pflege anderer zuständig sind! Lehrkräfte sind bis jetzt nicht bekannt für ihre feministische Vorreiterrolle, deshalb können wir davon ausgehen, dass die große Mehrheit von ihnen in familienpolitischer Teilzeit arbeitet.

Wenn also die SWK vorschlägt, Teilzeit einzuschränken, die Betreuung kleiner Kinder aber (immerhin) ausklammert, betrifft das doch nur eine Minderheit!

Die Medien stürzen sich also auf eine Maßnahme, die gar nicht so viele Lehrkräfte betrifft und dadurch auch leider keine große Wirkung zeigen kann. Diejenigen, die das aber betrifft, werfen vielleicht das Handtuch, weil sie ihre Gesundheit an erste Stelle stellen. Erst heute wurden die Zahlen derjenigen bekannt, die 2022 in NRW die Entlassung durchgezogen haben: 286 verbeamtete Lehrkräfte sind gegangen.

Wieso stehen nicht die Ideen für Lehrerinnen (weil sie ¾ aller Lehrkräfte stellen) in Teilzeit (weil sie dort die große Mehrheit bilden) im Fokus, um ihnen die Arbeitsbedingungen zu erleichtern? Wir sprechen hier von mehr als einem Drittel aller Lehrkräfte.

Perspektivisch wird sich das noch verschärfen. Die jungen Lehrkräfte, die zeitnah ihr Referendariat beenden, arbeiten die ersten Jahre in Vollzeit. Dann werden sie Eltern. Und reduzieren.

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Die Frage ist doch: Was brauchen Eltern, damit sie mehr unterrichten können?

Mal angenommen, Lehrkräfte wüssten ihre eigenen Kinder bei einer zeitlich passenden, qualitativ guten Betreuung versorgt. Keine Betreuung, die um 15 Uhr schließt, sondern bis 17 Uhr da ist. Nicht, damit das täglich voll ausgeschöpft wird, sondern um eine Teilnahme an Konferenzen zu ermöglichen oder Zeiten mit hoher Arbeitsdichte (vor Notenschluss usw) abzupuffern. Im besten Fall an die Schule angeschlossen.

Da siehts leider nicht besser aus mit Personal – die Katze beißt sich in den Schwanz. Fest steht: Mehr Unterricht bekämen wir über eine verbesserte Situation im Elementar- und Primarbereich.

Kinder können zu Konferenzen und in den eigenen Unterricht mitgenommen werden, ggf. kann eine gemeinsame Kinderbetreuung dort eingerichtet werden. Digitale Konferenzen sind auch eine super Möglichkeit.

Mehr Eltern, mehr Mütter in schulische Führungspositionen, damit das Thema auf die Agenda kommt.

Ich bin froh, dass wir an meiner Schule diese Themen auf dem Schirm haben. Das erleichtert mir das Arbeiten sehr.

Maßnahmen, die allen Lehrkräften entgegen kommen

Die Anzahl der schriftlichen Leistungsüberprüfungen muss reduziert werden. Denn korrigieren mit Kind zuhause ist der Endgegner! Wobei es dafür gar keine Kinder braucht 😉 Auch dafür muss keine Lehrkraft eingestellt werden. Oder wir lagern das Korrigieren auch aus…aber dafür braucht es einheitliche Prüfungen für alle.

Außerdem brauchen wir weniger Verwaltungsaufgaben, das kann alles delegiert werden! Ich rede von Rückläufersammlung, Entschuldigungsverfahren, Ausflugs- und Fahrtenplanung, iPads-Wartung, Notenverwaltung uuuund so weiter. Andere Professionen können uns dabei unterstützen. Dafür muss keine Lehrkraft eingestellt werden.

Es gibt Maßnahmen, die vor Ort umgesetzt werden können. Für andere Maßnahmen braucht es strukturelle und daher politische Unterstützung.

Auf die Spitze getrieben

Dem Lehrkräftemangel begegnen wir vor allem über Angebote für Eltern, insbesondere für Mütter. Natürlich auch für Väter, wenn sie in Familienverantwortung sind. Davon darf es sowieso gerne mehr geben.

Lehrkräfte brauchen kein Yoga, das Systemprobleme auf ihre Schultern abwälzt (Hallo, Gefühlsarbeit!). Sie brauchen eine gute & verlässliche Betreuung für eigene Kinder über 15 Uhr hinaus, weniger Korrekturen und weniger Verwaltungsaufgaben!

Vor allem will ich, dass einer großen Gruppe zugehört wird, die unser Schulsystem aufrecht erhält: Eltern.

Was sagst du als Elternteil und Lehrkraft dazu?

Deine Ann-Marie
Teilzeit einschränken und das Problem mit dem Lehrkräftemangel ist gelöst? Nein, denn Lehrkräfte sind auch Eltern!
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