7 klassische Schulsituationen: So kannst du beziehungsstark reagieren

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Immer wieder kamen (und kommen) mir in der Schule Sätze über die Lippen, hinter denen ich gar nicht stand. Das liegt daran, dass ich selbst durch dieses Schulsystem gegangen bin und mir lange Zeit Alternativen fehlten. Das habe ich an einigen Stellen gelöst. Ich teile in diesem Artikel sieben typische Sätze bzw. Situationen mit dir und wie du beziehungsstark reagieren kannst.

Ihr stört den Unterricht, wenn ihr quatscht!

Im Unterrichtsgespräch fallen dir Schüler:innen auf, die sich gut gelaunt miteinander unterhalten. Ziemlich schnell bist du genervt. Das machst du deutlich, z.B.: „Ihr STÖRT…

…den Unterricht.“
…die Anderen.“
…mich.“

Kann sein, dass sie dann aufhören. Ungünstig ist allerdings, dass du automatisch davon ausgehst, ihr Gespräch hätte auf jeden Fall NICHTS mit deinem Unterricht zu tun. Weißt du das denn?

Ich mag die Alternative:
„Habt ihr eine Frage zu dem, was wir gerade besprechen?“ oder noch konkreter: „Welche Frage habt ihr hierzu?“

Das lässt zumindest die Möglichkeit offen, dass es so ist. Und wenn nicht, hast du trotzdem deutlich gemacht, dass du sie hörst ?. Möglich ist dann natürlich immer noch: „Ok, dann hört jetzt bitte wieder zu.“ Das reicht tatsächlich oft schon aus.

Du hast schon wieder keine Hausaufgaben gemacht, so geht das nicht!

Hausaufgaben mit Moralkeule! Oder nicht?

An meiner Schule gibt es nur in der Oberstufe Hausaufgaben. Für die Klassen 11 bis 13 habe ich mir folgendes Vorgehen angewöhnt:

Nachdem ich anfangs doch mal genervt war, dass Einige keine Hausaufgaben machten, fiel mir irgendwann auf, dass ich für jede SoMi-Note auch konkrete Kriterien nennen könnte. Und dazu gehören auch Hausaufgaben. Die gebe ich bisweilen auf, weil wir in Pädagogik viele Texte lesen – deren Vorbereitung läuft außerhalb des Unterrichts meist besser. (Nein, ich benote nicht die [fehlenden] H.A., sondern die Zeit, in der sie dadurch im Unterricht [nichts] beitragen können.)

Kleiner Einschub: Dass ich genervt war, lag nicht daran, dass sie keine Hausaufgaben dabei hatten. Es lag daran, dass ich eine Meinung darüber hatte, dass sie keine dabei hatten. RIESIGER Unterschied!

Aber ich schweife ab.

Zu Beginn des Schuljahres kreuzen meine Schüler:innen also immer an, welche Note sie zum nächsten Zeugnis erreichen wollen. Sie legen sich damit auch fest, ob sie immer ihre H.A. erledigen oder eben nicht.

Wenn mir auffällt, dass jemand z.B. eine Zwei anvisiert und mehrfach keine Hausaufgaben dabei hat, frage ich erstmal nach: Welchen Grund gibt es dafür? Gibt es etwas, das ich wissen sollte, ist zuhause gerade viel los?

Danach stelle ich noch diese Frage: Funktioniert das für deine anvisierte Note? Oder wählst du jetzt eine andere, für die du losgehst?

Das ist keine Kuschelpädagogik. Noten verteile ich nach wie vor und auch nicht immer ‚gute‘. Doch wenn ich transparent mache, was für welche Note zu tun ist und Feedback gebe, ob das auch stattfindet, ist es einfacher für alle.

Du musst mehr Vokabeln lernen!

Ein Klassiker z.B. beim Elternsprechtag ist eben dieser Satz. Wieso bringt der den Kindern nichts?

? Was genau heißt ‚mehr‘?
Sie wissen dadurch nicht, wann es genug ist.

? Wie soll es gehen?
Meistens fehlen genau denjenigen, die Vokabellücken haben, die passenden Strategien!

? ‚Du musst…‘
…baut Druck auf, der sie am Lernen hindert.

Alternativ wäre schon mal eine Frage sinnvoll. Das öffnet das Gespräch und spielt den Ball dem Kind zu, zeigt unser Interesse an ihm und seinem Lernprozess.

Wichtig ist auch: Sieht das Kind selbst einen Bedarf? Oder wäre die jetzige Note aus seiner/ihrer Sicht ok? Die Frage ist also: Welches Ziel soll damit erreicht werden?

Was fehlt dem Kind bisher? Sollten Methoden wiederholt werden?

Wenn kurze, regelmäßige Lerneinheiten sinnvoll sind: Welche konkrete Zeitangabe passt? 10 Minuten reichen z.B. meist völlig.

Das Kind muss selbst bestimmen dürfen, wann es das tut. Viele können in der Schule während der Lernzeiten keine Vokabeln lernen und machen das lieber zuhause. Oder sie brauchen einen Lernpartner. Wann passt es dem Kind also am besten in den Tag? Ja, das können auch die Kleinen schon festlegen!

Und was wäre, wenn es Unterricht gäbe, bei dem gar keine Vokabeln gepaukt werden müssen??? Dazu gibt es viel Inspiration in meiner Kategorie ‚gehirngerechtes Lernen‚!

Du musst dich öfter melden!

Auch so ein Klassiker. Schule ist gemacht für diejenigen, die sich vor einer Gruppe mitteilen. Die das nicht tun, haben automatisch einen Makel. In dieser Forderung vereinen sich die letzten beiden. Einerseits fehlt wieder das konkrete Maß, was heißt ‚mehr‘? Einmal in der Stunde? Einmal in der Woche?

Und wenn es quantitativ mehr geworden ist, ist es denn auch qualitativ angemessen? Schüler:innen wissen, wann die drei Anforderungsbereiche ‚dran‘ sind. Im Einstieg ist es leicht, bei abschließenden Beurteilungsaufgaben schwerer. Da bräuchten sie also zumindest eine konkrete Angabe, die sie z.B. bei den transparenten Kriterien für die SoMi-Note finden können.

Wie bei den Hausaufgaben spielt auch hier Moral eine Rolle. Viele Lehrkräfte glauben, dass es besser und richtig sei, sich regelmäßig zu melden. Das wird auch mit guten Schüler:innen verbunden, sofern die Beiträge ebenso regelmäßig gut sind.

Alternativ frage ich: Welche Möglichkeit außerhalb des Unterrichtsgesprächs brauchst du, damit du dich einbringen kannst? Schreibst du gerne? Drehst du gerne kurze Erklär-Videos?

Hier müssen wir unsere Auffassung von Sonstiger Mitarbeit weiter fassen. Das führt unausweichlich zur Öffnung des Unterrichts hin zu individualisiertem Lernen.

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Ihr habt noch zwei Minuten für die Aufgabe!

Ganz wichtig bei jedem Unterrichtsbesuch: Zeitangabe für die Arbeitsphase deutlich machen! Wehe, das ist nicht allen klar ?.

Ja, die zeitliche Orientierung sollte schon sein. Doch was machst du, wenn sich die 10 / 15 / 20 Minuten dem Ende nähern – vor allem, wenn noch nicht alle fertig sind? DAS ist das Interessante.

Machst du Druck? „Noch zwei Minuten!“ oder fragst du nach: „Wer braucht noch Zeit?“

Das bedeutet nicht, dass du jedes Mal um 10 Minuten verlängerst. Und auch nicht, dass du Macht verlierst, weil sie wissen, du verlängerst sowieso die Arbeitszeit und sie können ‚trödeln‘ ?.

Im Gegenteil. Es geht um dein Interesse daran, wie sie vorankommen. Und am Anfang deines Lehrerjobs oder zu Beginn in einer neuen Klasse darum, dein Zeitgefühl zu justieren. Vielleicht ist die Klasse oft schneller als gedacht? Oder langsamer? Wo tauchen Probleme auf, die du vorher nicht auf dem Schirm hattest?

Ich finde es immer hilfreich, wenn ich zu Beginn der Stunde sage: „Das soll hier heute am Ende entstehen und dafür bekommt ihr Arbeitszeit“. Wenn sie darum wissen, arbeiten sie mit dir auf dieses Ziel hinaus.

Viel Glück!

Warum ich meinen Schüler:innen kein Glück wünsche:

?Unter vielen Aufgabenstellungen findet sich: ‚Viel Glück!‘, ‚good luck!‘, ‚bonne chance!’… am besten mit einem vierblättrigen Kleeblatt ?

Klar, nett gemeint. Doch wer ist verantwortlich, wenn das Ergebnis gefällt und wer, wenn es nicht gefällt? Die Schüler:innen jedenfalls nicht. Hat jemand ein gutes Ergebnis, hatte er Glück. Ist jemand nicht zufrieden, hatte er Pech oder zumindest weniger Glück als die anderen.

Viel Erfolg!‚ unter Aufgaben oder beim Austeilen der Blätter ist nur ein kleiner Satz. Er gehört zu einer größeren Überzeugung, dass Schüler:innen – wie alle Menschen – für ihre Ergebnisse verantwortlich sind und niemand sonst. Damit meine ich nicht ’schuld‘, nach dem Motto: „Das hast du dir selbst eingebrockt!“, sondern das Wissen darüber, dass ich selbst bestimme, wie ich auf Situationen reagiere. (ver-antworten –> wie antworte ich auf eine Situation?)

‚Viel Spaß!‘ ist sogar noch die Steigerung. Spaß bei einer Prüfung?! Tja, wenn wir das selbst für unmöglich halten, werden unsere Schüler:innen das wohl nie erleben. Und ich behaupte, dass in jedem Kurs zwei bis drei Schüler:innen sitzen, die du damit erreichst!

Meine ausführliche Begründung, wieso ich meinen Schüler:innen kein Glück wünsche, liest du im eigenen Artikel dazu!

? Was schreibst du so unter Aufgaben bei einer Prüfung? Und was denkst du über den kleinen aber feinen Unterschied von Glück und Erfolg?

Für eine gute Note bekommst du…

Manchmal falle ich echt vom Glauben ab! Ich meine den Glauben, dass die schwarze Pädagogik auf dem Rückzug ist.

Denn ich lese im Ernst einige Tipps eines bekannten Nachhilfeinstituts (bei dem ich als Studentin selbst mal gearbeitet habe…aber nur kurz…) zum Thema ‚Stress ums Zocken‘. U.a. sollen die Eltern bei guten Noten Extrazeit mit ihren Kindern vereinbaren und bei schlechten Noten die Zeit an PC, Handy, Wii etc kürzen.

Bitte lasst euch weder als Eltern noch als Lehrer:innen darauf ein. Ja, Konditionierung (=Belohnung und Bestrafung) kann funktionieren. Doch sind wir Menschen eben keine Hunde oder Ratten ? Die Frage bleibt also immer: Zu welchem Preis funktioniert das? In erster Linie schwächt es die Beziehung zum Kind.

Deshalb hier zwei Alternativvorschläge von mir, die stattdessen eure Beziehung zum Kind stärken.

„Du bist großartig, egal welche Note du hast!“ und in der Eltern-Edition: „Ich hab dich lieb, egal welche Note du hast!“

Die Haltung dahinter

Du merkst, dass ich meinen Schüler:innen viele Fragen stelle, oder? Das liegt daran, dass mir wichtig ist, sie zu verstehen. Andererseits möchte ich erreichen, dass sie selbstverantwortlich handeln. Am Beispiel der Noten in der Oberstufe wird das besonders deutlich: Sie stecken sich ein Ziel, das sie für realistisch halten. Wenn die Kriterien dafür nicht stimmen, kann ich das zurückmelden. Sie wählen dann, ob sie die Hausaufgaben nachmachen oder eine andere Note erreichen wollen. Beides ist ok!

All diese Beispiele machen eine beziehungsstarke Lernkultur aus. Wenn du dich auch aufmachen und deinen individuellen Weg gemeinsam mit Gefährt:innen gehen möchtest, dann ist mein 8-Wochen-Programm das Richtige für dich:

In starken Beziehungen wachsen
Deine Ann-Marie

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