Was Lehrer von Unternehmern lernen können

Was Lehrer von Unternehmern lernen können

Lehrer sind Dienstleister. Ja klar, die meisten von uns arbeiten im öffentlichen Dienst. Wir dienen also dem Staat? Ich behaupte, wir dienen zu allererst unseren Schülern. Viele Menschen denken bei ‚Dienen‘ eher an Knechtschaft, das sehe ich anders. Ich verstehe darunter die Idee, dass beide Seiten dadurch gewinnen. Ohne Schüler gäbe es uns Lehrer nicht, sie sind sozusagen unsere Auftraggeber. Wir bieten das Produkt ‚Bildung‘ an und gewinnen sie im besten Fall für den Standpunkt, dass sie etwas davon haben. Zentral ist dafür die Qualität unserer Beziehung zu ihnen.

Was denkst du über Akquise?

In diesem Sinne sind wir tagtäglich dabei, Akquise zu betreiben. Mist, mag man denken, wenn man sich doch bewusst dafür entschieden hat, nichts zu verkaufen 😉 Was genau findest du dann an Akquise blöd? Wenn es lediglich bedeutet, andere Menschen für deinen Standpunkt zu gewinnen: Wie schwer tust du dich im Unterricht damit? Unternehmer würden sich fragen: Was interessiert meine Kunden? Was tun sie gerne? Was nicht? Was kann ich ihnen also anbieten? Wieso ist mein Angebot das passende für sie? Und wenn die Ergebnisse stagnieren, fragen sie sich sicher nicht, was mit ihren Kunden nicht stimmt! Sie passen ihr Angebot an. Letztlich haben sie aber keinen Einfluss darauf, ob sie alle ihre Kunden erreichen.

Unzufriedene Kunden gehen, unzufriedene Schüler müssen oft bleiben. In der freien Wirtschaft sind Kunden weniger abhängig vom Anbieter. Das ist allerdings nur ein weiteres Argument dafür, wie wir unsere Macht für Schüler einsetzen können. Diese müssen sich mit dem begnügen, was sie von uns bekommen. Egal, ob wir einen oder fünf Sterne in der Bewertung haben. Jedoch sind Lehrern auch Grenzen gesetzt, wie sie ihren Unterricht gestalten können. Deshalb brauchen wir Initiativen wie die Schulen im Aufbruch, die Althergebrachtes in Frage stellen.

Beziehung gestalten ist Kundenbindung

Es ist zu kurz gedacht, wenn wir uns als Wissensvermittler verstehen und als studierte Fachlehrer die Ware ‚Englisch‘ oder ‚Mathe‘ anpreisen wollen. Denn unser Angebot baut darauf auf, dass die Schüler einen persönlichen Nutzen darin sehen müssen, um langfristig Erfolg damit zu haben. Wenn der Nutzen und der Sinn fehlen, denken Schüler sinngemäß: ‚DIESEN Teppich möchte ich nicht kaufen‘. Mehr noch als in der freien Wirtschaft steht die Beziehung im Zentrum, weil wir unsere Schüler dauerhaft und intensiv begleiten. Die Beziehungsgestaltung entspricht dem unternehmerischen Marketing, der Kundenbindung. Klingt nicht einleuchtend? Dabei gelten dort die gleichen Regeln. Als Schüler wie als Kunde will ich wahrgenommen und wertgeschätzt werden, z.B. durch Kommunikation oder durch eine persönliche Verknüpfung mit dem Produkt. Mein Feedback ist erwünscht und Vertrauen wird aufgebaut.

Wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere, gab es Lehrer, bei denen ich viel gelernt habe und das auch noch gerne; das habe ich im Brief an meine Lehrer festgehalten. Es lag daran, dass sie wirklich Interesse für uns gezeigt haben. Sie standen also in Beziehung zu uns und darin sind wir in Kommunikation über die Inhalte gekommen. Wenn wir ‚Kommunikation‘ wörtlich nehmen, haben wir die Inhalte ‚miteinander geteilt‘. Dabei haben diese Lehrer auch etwas von sich geteilt, sie haben keine Rolle gespielt. Andere Lehrer blieben auf ihren Inhalten sitzen und teilten gar nichts.

Lehrer sein heißt in Beziehung sein

Obwohl Beziehung die Grundlage ist, ohne die kein Lehrer auskommt, ist das in der Lehrerausbildung kaum Thema. In Deutschland reicht es für den Lehrerberuf, wenn man gerne Lehrer sein möchte. Aber ob man dazu in der Lage ist, Beziehungen einzugehen und unter Belastung aufrechtzuerhalten, ist unwichtig. Dabei sind wir in diesem Job immer in Kontakt mit anderen Menschen. Ganz langsam zeichnet sich im Referendariat eine Trendwende ab. Kernseminarleiter kann in NRW nur jemand sein, der auch Coach ist und die Referendare bei ihrer Weiterentwicklung in Einzelgesprächen unterstützt.

Das didaktische Dreieck zwischen Lehrer, Schüler und Lerninhalt verbindet z.B. Lehrer und Schüler über den Aspekt ‚Lehren‘. Dazu zählen dann Methoden, Präsentation usw. All das bleibt schablonenhaft, wenn wir versuchen, die Beziehung auszuklammern. Classroom Management wird manchmal auch als zusätzliches Feld unserer Arbeit dargestellt und das eher für Klassenlehrer. Ich glaube: Alles, was im und um den Klassenraum geschieht, existiert vor dem Hintergrund der Beziehung. Unterricht ist Beziehung, Lehrer sein heißt in Beziehung sein. Somit gibt es auch keine Fachlehrer, die darauf weniger Wert legen müssen als Klassenlehrer. Wir kennen doch alle diejenigen, die für ihr Fach brennen und als Lehrer völlig ungeeignet sind. Das waren in meinen Augen die Schrulligen, Unfreundlichen, Unberechenbaren, zu denen ich keine Verbindung aufbauen konnte.

Feedback und Selbstreflexion als Werkzeuge

So bin ich in letzter Zeit häufig dem Satz begegnet: „Der Prozess bestimmt den Inhalt“. Für mich ist Beziehungsgestaltung dieser Prozess. Studentinnen und Referendare dafür zu sensibilisieren, wäre mal spannend. Um das als Lehrer entwickeln zu können, brauchen wir Feedback von außen (Schülerfeedback, kollegiale Beratung, Supervision, Coaching…) und vor allem die Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstreflexion. Ausgerechnet unser Beruf kommt nach dem Ref nahezu ohne jegliches Feedback aus! Mehr noch, in vielen Lehrerköpfen ist das Einzelkämpfertum fest verankert:

Persönliche, auch unbewusste Gefühle und Gedanken zu äußern gilt für Lehrer*innen bis heute als Tabu, über das man nicht spricht, schon gar nicht mit Kolleg*innen.

(Ulrike Kegler, Lob den Lehrer*innen, S. 43)

Richtungsweisende Fragen zur Arbeit an der inneren Haltung können sein: Ist Vertrauen oder Kontrolle meine Basis? Will ich wirklich ein wertschätzendes Miteinander schaffen? Wie reagiere ich, wenn es eng für mich wird? Gehe ich in die Offensive, ziehe ich mich zurück? Erzeuge ich Druck auf Schüler? Wenn ja: Was ist mein ultimatives Druckmittel? Bin ich bereit, das abzulegen? Bin ich bereit, verantwortlich mit meinen Gefühlen umzugehen (die Schüler sind also nicht schuld an ihnen)?

Was soll bloß keiner über mich erfahren?

Auf uns selbst bezogen: Welche Meinung über Schule habe ich aus meiner eigenen Schulzeit hinübergerettet? Denke ich z.B. noch ‚Nur Leistung zählt!‘, ‚In der Schule muss ich mich für andere verbiegen‘, ‚Lehrerinnen mögen mich nicht’…? Gewinnbringend kann auch die Auseinandersetzung mit der Frage sein: Was soll bloß keiner über mich erfahren? Welchen ‚Makel‘ will ich nicht preisgeben? Ob wir wollen oder nicht: Erst wenn wir uns mit uns selbst befassen, steuert uns so etwas nicht mehr. Solange bleiben wir auf Autopilot und tragen das weiter, was wir selbst als Schüler im heimlichen Lehrplan gelernt haben.

Der kurze Ausflug in die unternehmerische Arbeitswelt dient dazu, unseren Schulalltag und das Denken über die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Kundenorientierung ist eine Idee, die gerne mehr in Schulen Einzug halten darf 🙂

Wie ist deine Meinung zu diesem Vergleich? An welcher Stelle stimmst du zu, wo überhaupt nicht? Ich bin gespannt!

Deine Ann-Marie

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