Wow, was für eine Woche! Kennst du das, wenn du gemeinsam mit Anderen ein riesiges Projekt angehst und es sich trotzdem leicht anfühlt? Wenn du deine Stärken reingeben kannst und es egal ist, was du (noch) nicht so gut kannst? Wenn es immer jemanden in der Gruppe gibt, der genau das gerne macht, sodass sich jeder einbringt? Das habe ich beim Ideenwettbewerb #wirfürschule erlebt. Unglaublich, was da alles an Kompetenz im Raum war. Unser Ergebnis ist die bundesweite Online-Plattform für Persönlichkeitsentwicklung, Gesundheit und Vernetzung für Alle, die in Schulen bzw. Bildung unterwegs sind: Faktor Mensch an Schule. I love it!
Gleichzeitig wurde ich nachdenklich. Die Art und Weise, wie wir in der Woche miteinander ko-kreativ waren, nämlich leicht, mit Spaß und ultra produktiv, erlebe ich in der Schule selten. Und den Anderen ging das auch so! Mir ist von dieser Woche also ein Stichwort im Kopf geblieben: Selbstwirksamkeit.
Wieso ist Selbstwirksamkeit in Schulen wichtig?
Wir alle brauchen Selbstwirksamkeit, um uns eingebunden, bedeutend, handlungsfähig zu fühlen. LehrerInnen gestalten ihren Unterricht bis zu einem gewissen Grad individuell…aber das Unterrichten ist längst nicht mehr unsere einzige wichtige Aufgabe. UND sogar das Unterrichten unterliegt einigen Vorgaben. Wenn wir unseren Platz an unserer Schule finden und Schule auch noch aktiv mitgestalten wollen, ist Selbstwirksamkeit das A und O. Inspirierte LehrerInnen wollen einen Unterschied machen und sich einbringen.
Gefühlte fehlende Selbstwirksamkeit hingegen ist einer der Gründe, warum LehrerInnen innerlich kündigen oder tatsächlich den Dienst quittieren. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Selbstwirksamkeitserwartungen und der Entstehung von Burnout (was natürlich auch auf andere Berufsgruppen zutrifft). Manche sind resigniert und führen an, dass wir uns in einem beziehungsfeindlichen System befinden und wir uns daran abarbeiten. Viele haben den Schluss gezogen, dass sie nicht fähig sind und mit ihnen etwas falsch ist.
Spannend ist eine Aufteilung von Selbstwirksamkeitserwartungen von LehrerInnen in Bezug auf diese vier Bereiche (wie Gerdamarie Schmitz bereits vor einigen Jahren in der Zeitschrift Unterrichtswissenschaft ausführte):
1. Berufliche Leistung
2. Berufsbezogene soziale Interaktionen
3. Umgang mit Stress und Emotionen
4. Innovatives Handeln
Die Selbstwirksamkeitserwartung wurde also nicht pauschal erhoben, sondern in Fragebögen in diese Teilbereiche gegliedert. Das zeigt noch einmal, dass eben nicht das Unterrichten das Entscheidende ist – das fällt ja unter berufliche Leistung. Vielmehr ist unser Beruf komplex und die Auseinandersetzung mit uns selbst und Anderen ist ebenso zu berücksichtigen. Dann ist innovatives Handeln sozusagen die Krönung. Wenn wir eine neue Lernkultur etablieren wollen, in der die Menschen sich als selbstwirksam erleben, sollten wir also nicht (nur) an methodischen Unterrichts-Tricks schrauben. Wir müssen Persönlichkeitsentwicklung in den Fokus stellen!
Ich stelle mir zwei Fragen: 1. Bin ich inspirierte Lehrerin, WEIL ich neben der Schule noch etwas Anderes mache? Sollte also jeder einer weiteren Leidenschaft nachgehen, um die Prozesse, die im System noch nicht laufen, kompensieren zu können? 2. Bin ich inspirierte Lehrerin, WEIL Persönlichkeitsentwicklung mein Steckenpferd ist? Dazu weiter unten mehr.
Selbstwirksamkeit und Selbstständigkeit unserer SchülerInnen
Selbstwirksamkeit ist auch etwas, das unsere SchülerInnen erleben wollen.
Wenn wir bei SuS von Fähigkeiten sprechen, die sie entwickeln sollen, ist ‚Selbstständigkeit‘ ganz vorne dabei. Auch in Corona-Zeiten haben Schulen darauf gesetzt, während Kinder und Jugendliche zuhause gelernt haben. Eigentlich meinen wir damit aber, dass die Schüler machen, was sie sollen, und nicht stören. Wirkliche Selbstständigkeit würde bedeuten, eigene Ideen zu entwickeln, sie umzusetzen und dafür verantwortlich zu sein. Und da kommt auch die Selbstwirksamkeit ins Spiel! Ein erster Schritt hin zu mehr Selbstwirksamkeit im Kontext Schule könnte also sein, den Begriff von ‚Selbstständigkeit‘ zu reflektieren und stattdessen diesen größeren Rahmen zu setzen. Für mich klingt es logisch, dass wir für unser Wirken einen eigenen Stand brauchen: Selbstwirksamkeit schließt Selbstständigkeit ein. Umgekehrt brauche ich eine Erfahrung von Selbstwirksamkeit, um selbstständig etwas in die Hand zu nehmen.
Wir können uns also fragen: Was bedeutet Selbstständigkeit für mich? Was ist ein selbstständiges Schulkind für mich? Wo habe ich die Erwartung, dass es etwas alleine kann? Bei welchem Punkt wird mir Selbstständigkeit zu viel? Wo begrenze und kontrolliere ich also auch aktiv meine Klassen? Wie kann ich dazu beitragen, dass sich meine SchülerInnen als selbstwirksam erleben?
Selbstständige LehrerInnen, selbstständige SchülerInnen?
Was wir viel zu selten mitdenken: Wir brauchen junge Menschen, die später einmal Lust haben, ihre Ideen in einem eigenen Unternehmen in die Welt zu bringen. Wie sollen Beamte das vorleben? Zwar haben Lehrkräfte und Unternehmer einige Gemeinsamkeiten, doch der entscheidende Unterschied bleibt: Egal, ob unsere Akquise funktioniert oder nicht, unser Gehalt bekommen wir. Die Message, die wir an die SuS weitergeben, ist also, Sicherheit ist erstrebenswert. Ein Risiko, das z.B. Unternehmer eingehen, dagegen gefährlich.
Ulrike Kegler hat die Montessori-Oberschule in Potsdam geöffnet und ExpertInnen wie Künstler, Landwirte, usw. hineingelassen. Was wäre, wenn Lehrer auch selbstständig wären? Also neben dem Lehrerberuf einer weiteren Passion nachgehen und damit auch Geld verdienen? Ob mit zusätzlichem Verdienst oder ehrenamtlich: Die zusätzliche Perspektive ist gewinnbringend. (Dazu wäre es sicher auch hilfreich, den Beamtenstatus aufzuheben.)
Um also auf meine Fragen von oben zurückzukommen: Ich bin definitiv eine dauerhaft inspirierte Lehrerin, weil ich meine berufliche Energie nicht nur in die Schule investiere. So manche frustrierende Situation aus meinem Schulalltag kann ich durch den Blog tatsächlich besser verarbeiten und wieder für mich nutzen. Ich habe ein Ventil, über das meine Familie und Freunde sicher froh sind 😉 Nicht nur das: Durch den Austausch mit Gleichgesinnten kann ich sogar meine Position in der Schule klarer sehen, ich weiß, wie ich mich einbringen kann und werde darin bestärkt. Wenn ich also zuweilen in der Schule mit meinen Ideen allein auf weiter Flur zu sein scheine, weiß ich, es gibt da draußen MitstreiterInnen.
Der Faktor Mensch an Schule
Sehen wir uns die vier Aspekte der Selbstwirksamkeitserwartungen noch einmal an; mithilfe von Tools aus dem Bereich der Persönlichkeitsentwicklung ist es mir möglich, auf alle Aspekte positiv Einfluss zu nehmen. Ich habe mit meiner Vision und Absicht zwei Leitsterne für mein Wirken in der Schule: Ich kann also meine Antwort auf die Frage geben: „Wofür mache ich das?“ Ich reflektiere meine sozialen Interaktionen und komme schneller aus einer Opferposition heraus. Außerdem schaue ich mir meine Gefühle genauer an; Wann bin ich wütend? Wann habe ich Angst? Wo geht Stress für mich los? Und die Umsetzung all dessen führt dazu, dass ich bereit bin, innovativ zu handeln statt im Hamsterrad zu versauern.
Deshalb liegt der Schluss nahe, Persönlichkeitsentwicklung für ALLE in der Schule selbstverständlich werden zu lassen. Dafür habe ich in der letzten Woche mit großartigen ExpertInnen „Faktor Mensch an Schule“ entwickelt. Beim Schulhackathon #wirfürschule haben wir eine Online-Plattform ersonnen, die für alle an Schule Beteiligten gedacht ist. Sie ist also auch deine Plattform für Persönlichkeitsentwicklung, Gesundheit und Vernetzung! In unserem 2-minütigen Präsentationsvideo für den Ideenwettbewerb kannst du dir schon jetzt ein Bild machen. Ich freue mich, wenn du dich dort vernetzt und dir deine Inspiration holst! Und ich freue mich auch, wenn du das Video teilst oder Anderen von der Plattform erzählst.
Eins ist sicher: Bevor Kinder und Jugendliche eine neue Erfahrung von Schule machen können, müssen wir unsere Erfahrung von Schule verändern. Erst, wenn wir uns zeigen, zeigen sich die SchülerInnen. Erst wenn wir in Teams wirklich kooperieren und konstruieren, werden die SchülerInnen das in Unterricht und Schulleben tun. Und erst wenn wir Weiterentwicklung nicht mehr als Gefahr ansehen, können wir das glaubhaft an sie weitergeben.
Was ist dein Schlüssel, um dich in deiner Schule als selbstwirksam zu erleben? Was tust du für dich, damit es dir und anderen dort gut gehen kann? Welchen Unterschied machst DU?