Mit sieben Schülerinnen ging das mutige Projekt ‚Latein Lernen mit Birkenbihl‘ zum Schuljahresbeginn an den Start. Zwei Lektionen in unserem Lehrbuch haben wir bereits bearbeitet und eine Klausur geschrieben. Sechs Wochen, in denen wir (uns kennen) gelernt, gelacht und Unterricht revolutioniert haben 😉
Beiläufiges Lernen
Die vier Schritte der Methode nach Vera F. Birkenbihl habe ich hier vorgestellt. Nachdem ich sie bereits einmal mit fortgeschrittenen Lateinern angewendet habe, arbeite ich nun mit Anfängern zu 100% nach Birkenbihl. Vorbereitet habe ich mich mit:
- Vera F. Birkenbihl (2014): Sprachenlernen leicht gemacht! Die Birkenbihl-Methode Fremdsprachen zu lernen. [36. Aufl.]
- Karin Holenstein (2013): Gehirn-gerechtes Sprachenlernen. Die Birkenbihl-Methode im Sprachunterricht.*
- Karin Holensteins Website: www.protalk.ch
- YouTube-Videos mit beiden Autorinnen
Der große Vorteil der Methode liegt bei der gefühlten Beiläufigkeit des Lernens. Deshalb hat bei uns sogar die Randzeit in der achten/neunten Stunde ihren Schrecken verloren. Früher quälten wir uns am Ende eines langen Schultages mit Latein. Heute spielen wir engagiertes Fliegenklatschen-Memory oder lernen andere gehirngerechte Methoden kennen.
Latein ist tot – es lebe Latein!
Ein besonderer Reiz liegt ja darin, dass wir keine Vokabeln und Regeln büffeln. Bei Einigen setzt da Schnappatmung ein. Ob dann überhaupt was gelernt werde? Das ist interessant! Alle wissen, dass Pauken langweilig und nicht nachhaltig ist. Existieren überhaupt Lateinkurse, deren Vokabelkenntnisse ihre Lehrer zufrieden stellen? Latein ist neben Mathe wahrscheinlich Hassfach Nr. 1. Und trotzdem wird eine alternative Methode mit Argwohn betrachtet. Als ob der Lerneffekt noch geringer ausfallen könnte als er sowieso schon oft ist… kann doch nur besser werden, finde ich!
Frei nach dem Motto ‚Latein ist tot – es lebe Latein!‘ habe ich also die lateinischen Lektionstexte langsam eingesprochen. Mit QR-Codes habe ich sie der wörtlichen Übersetzung (Dekodierung) beigefügt. Diese Dekodierung dient uns anfänglich als Krücke. Wir verstehen damit nämlich erstmal, was inhaltlich vor sich geht. Im normalen Unterricht ist das erst am Ende der Fall. Und dann hören wir aktiv das lateinische Audio, während wir die wörtliche Übersetzung lesen. Solange bis die Krücke überflüssig wird und wir das Original genauso gut verstehen wie das Deutsche.
Welche Erkenntnisse kann ich nun teilen?
Erstens: Die Dekodierung im Vorfeld selbst zu erstellen, ist zeitaufwendig. Doch bei Anfängern erstelle ich als Lehrerin die Dekodierung, weil sie sonst für jedes einzelne Wort nachschlagen müssten. Mithilfe einer Excel-Datei kann ich das lateinische Wort und die deutsche Bedeutung direkt untereinander schreiben. Fortgeschrittene Schüler könnten hingegen in einer kopierten Textversion die neuen Wörter selbst mit der Vokabelliste übersetzen und die bekannten Wörter außer Acht lassen.
Zweitens: Bei der Dekodierung entsteht die Vokabelbedeutung immer im Satzzusammenhang. Wenn im Text also ludus nur mit ‚Spiel‘ übersetzt wird, in den Vokabeln aber auch ‚Schule‘ steht, muss ich mich erstmal nach dem Text richten. ‚Schule‘ wissen die Schülerinnen also noch nicht. Wenn ich selbst Texte z.B. für Klausuren formuliere oder im Buch auf weitere Bedeutungen zurück gegriffen wird, ist das zu berücksichtigen.
Drittens: Mein Lehrerinnenherz hüpft, wenn Schülerinnen ganz von selbst den Unterschied zwischen clamat und clamant im Text erkennen. Oder wenn ein Wort mit verschiedenen Bedeutungen vorkommt und auch das auffällt. Darum geht es: Die Struktur der neuen Sprache entdecken!
Mit der Zeit wird es schneller gehen
Viertens: Es ist gar nicht so schwer, QR-Codes zu erstellen ? Dank der Tipps von Nina Toller (übrigens ebenfalls bloggende Lateinlehrerin!) habe ich mich schnell damit vertraut gemacht. So können die Schülerinnen mit ihrem Smartphone den Code scannen, die Datei downloaden und aktiv hören. Auch für Schritt 3 (Passiv Hören) benötigen wir die Audioversion. Dazu weiter unten mehr.
Fünftens: Das aktive Hören unseres aktuellen Textes hat bei beiden Lektionen etwas länger gedauert, als ich zunächst vermutete. Aber das sagt mehr über meine Ungeduld als über das Tempo der Schülerinnen ? Überhaupt sollte dieser Schritt wirklich solange wiederholt werden, bis jedes Wort verstanden ist. Das wird mit der Zeit schneller gehen, weil immer mehr bekannte Wörter auftauchen. Im normalen Lateinunterricht ist der Effekt eher anders herum: Am Anfang ist es leicht, dann wird’s mühsamer. Ich lese dazu ein- bis dreimal hintereinander den Text langsam vor, während die anderen die Dekodierung lesen. Dann schieben wir eine Aktivität zu einem bereits erarbeiteten Text ein und lesen anschließend wieder den aktuellen Text.
Richtige Betonung gleich mitlernen
Die Schülerinnen sind dann bereit für Schritt 3, wenn sie auch ohne Dekodierung alles verstehen. Dann ist es Zeit für das passive Hören. Wir lassen dazu die Audioversion leise im Hintergrund in Dauerschleife laufen. Das geht im Unterricht locker 60 Minuten, zuhause als Hausaufgabe auch deutlich länger. Hierzu können die Schülerinnen unterwegs auch Kopfhörer nutzen, weil sie die Datei auf ihrem Smartphone haben. Hauptsache, die Konzentration liegt bei anderen Tätigkeiten. Das Gute dabei ist: Ohne etwas bewusst zu lernen, werden die Vokabeln und die Grammatik direkt im Kopf abgespeichert. Wir haben bisher keine einzige Vokabel oder Grammatikregel auswendig gelernt und der Klausurschnitt liegt im Einserbereich!
Sechstens: Als Rückmeldung darüber, ob ausreichend passiv gehört wurde, eignet sich das Chorsprechen. Das kostete anfangs etwas Überwindung, macht nun aber Spaß! Jede gewinnt erstmal Sicherheit im Kreise der anderen Stimmen. Und bei mehrfacher Wiederholung sind alle dabei. Großartig ist, dass alle den Text 1 zu 1 so betonen, wie ich ihn auch eingelesen habe. Das klingt wirklich lustig. Und nebenbei sprechen sie die Längen und Kürzen richtig aus, sodass sie z.B. gaudere (langes vorletztes e) sofort von accedere (kurzes vorletztes e) unterscheiden können. Zack, Grammatik verstanden.
Abwechslung durch Aktivitäten
Und jetzt kommen wir zu den wunderbar kurzweiligen Aktivitäten! Dazu zählen jetzt auch die ‚gute‘ deutsche Übersetzung und Übungen im Buch. Dieses ist also immer noch nützlich! Aber erstmal bilden die Schülerinnen Paare und lesen den Text einander vor, immer abwechselnd einen Satz. Oder eine stoppt mittendrin und die andere ergänzt. Bei ausreichend dialogischen Texten spielen wir den Text als Rollenspiel nach. Oder wir füllen einen Lückentext, den ich aus der Lektion erstellt habe. Die Buchstabenschlange ist nichts Anderes als der Text ‚ohne Punkt und Komma‘, den es zu entwirren gilt. Und die Rück-Dekodierung vom Deutschen ins Lateinische haben wir auch gemeistert.
Effektiv ist das Kategorisieren von Vokabelkarten. Damit fiel es z.B. leicht Singular und Plural zu lernen. Und am meisten begeistert uns bisher das Fliegenklatschen-Memory! Das kann mit allen oder ausgewählten Vokabeln gespielt werden. „Wir spielen und lernen dabei gleichzeitig!“ So fasst es eine Schülerin treffend zusammen. Es gibt noch weit mehr Aktivitäten, von denen ich künftig berichten werde. Hier noch einmal meine Favoriten kurz gefasst:
- Chorsprechen
- Textlesen zu zweit
- Stopplesen zu zweit, zu dritt…
- Rollenspiel
- Lückentext
- Buchstabenschlange
- Rück-Dekodierung
- Vokabeln kategorisieren
- Fliegenklatschen-Memory
- ABC-Listen verfassen
- und natürlich Übungen aus Buch und Zusatzmaterial
Für mich sind die Aktivitäten eine Zeit, in der ich schlicht genieße, was wir uns ‚erhört‘ haben. Und ich freue mich für meine Sieben, dass sie auch nach der ersten Klausur noch genauso viel Motivation mitbringen wie zu Schuljahresanfang 🙂 Demnächst gibt es auf dem Blog in der Kategorie ‚Latein mit Birkenbihl‘ wieder einen Rückblick auf unsere nächste Etappe!
Willst du mehr über einzelne Schritte oder Aktivitäten erfahren? Dann kommentiere das gerne und ich schreibe über die Praxis!
*Die beiden Links zu den Büchern sind Affiliate Links. Wenn du darüber die Bücher kaufst, unterstützt du mich und meine Arbeit – und hast selbst keine Mehrkosten.
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